Schon seit Längerem wird vermutet, dass das weltweit verbreitete Epstein-Barr-Virus (EBV) an der Entstehung der Autoimmunerkrankung systemischer Lupus erythematodes (SLE), kurz Lupus, beteiligt sein könnte. Über 94 Prozent der erwachsenen Bevölkerung tragen das Virus in sich. Es ist als Auslöser der infektiösen Mononukleose, auch Pfeiffersches Drüsenfieber genannt, bekannt und bleibt nach der Ansteckung ein Leben lang in bestimmten Immunzellen des Körpers erhalten. Während das Virus bei den meisten Infizierten inaktiv im Körper schlummert, kann es bei einigen die Autoimmunerkrankung Lupus auslösen. Wie genau das geschieht, haben Forschende der Stanford University in Kalifornien nun erstmals mittels neuer Technologie entschlüsseln können.
Das Forscherteam entwickelte eine neue Methode, mit der bereits geringe Mengen von EBV-infizierten Immunzellen und viralen Genen nachgewiesen werden können. Sie stellten fest, dass Lupus-Betroffene etwa 25-mal mehr EBV-infizierte Immunzellen im Blut aufwiesen als gesunde Kontrollpersonen. Dabei handelt es sich vor allem um sogenannte autoreaktive B-Zellen, die körpereigene Strukturen (Autoantigene) erkennen und Autoantikörper bilden können. Normalerweise werden diese Zellen vom Immunsystem stark reguliert und sind inaktiv. Das Team fand jedoch heraus, dass bei Lupus-Betroffenen einige der Immunzellen von den eingeschlossenen Viren dazu angeregt werden, ein Protein namens EBNA2 zu produzieren. Dieses Protein aktiviert eine Reihe von Genen in der Immunzelle und regt sie dazu an, dem Immunsystem fälschlicherweise körpereigene Strukturen als Angriffsziel zu präsentieren. Im weiteren Verlauf werden auch nicht mit EBV-infizierte autoreaktive B-Zellen sowie weitere Zellen des Immunsystems aktiviert, wodurch eine umfassende Autoimmunreaktion ausgelöst wird.
Dieser Mechanismus könnte laut den Forschenden nicht nur bei Lupus, sondern auch bei anderen EBV-assoziierten Autoimmunerkrankungen wie der Multiplen Sklerose, der rheumatoiden Arthritis oder dem Sjögren-Syndrom eine wichtige Rolle spielen. Zudem liefern die Ergebnisse eine Erklärung dafür, warum Therapien, die gezielt EBV-infizierte B-Zellen eliminieren, in Pilotstudien bereits vielversprechende Erfolge bei Lupus-Betroffenen erzielen. Ob und wie solche Therapien in Zukunft noch effektiver eingesetzt werden können, müssen zukünftige Untersuchungen zeigen.
Quelle: https://www.science.org/doi/10.1126/scitranslmed.ady0210